Wie sieht eigentlich die konzeptionelle Arbeit im KAP aus? Was macht Offene Jugendarbeit so besonders?
Inhalt:
1. Soziale Bedingungen
2. Zielgruppen und Zielsetzungen
3. Angebotsstruktur
3.1. Offene Arbeit
3.2. Besucherspezifische Arbeit
3.2.1. Mädchenarbeit
3.2.2. Jungerwachsenenarbeit
3.2.3. Nachwuchsarbeit
3.2.4. Arbeit mit Flüchtlingen
3.3. Themenspezifische Arbeit
3.3.1. Sport und Fitness
3.4. Gruppenarbeit
3.5. Veranstaltungen und erlebnispädagogische Arbeit
4. Kooperation mit Schule
4.1. Ganztag
4.2. Schülerhilfe und Job-Aktiv
5. Beratung
5.1. Krisenintervention
5.2. Langfristige Beratung und Begleitung
5.3. Familienberatung
1. Soziale Bedingungen
Lohbrügge-Nord entstand Ende der sechziger Jahre und hat noch heute mit typischen Problemen einer Neubausiedlung zu kämpfen: hohe Bevölkerungsdichte und einseitige Bevölkerungsstruktur, wenig Freizeitmöglichkeiten usw. Im Laufe der Jahre kristallisierten sich die verschiedensten Problemlagen heraus, wie wachsende Armut, Arbeitslosigkeit, Gewalt in den Familien, Identitätsprobleme, Isolation, Perspektivlosigkeit, hoher Migrantenanteil etc. Für Jugendliche und Jungerwachsene ergeben sich Probleme, wie: Kleinkriminalität, Drogen- und Alkoholmissbrauch, Schulversagen und –verweigerung, Schwierigkeiten bei der Ausbildungsplatzsuche, Beziehungs- und Familienstress, Gewalttätige Auseinandersetzungen.
Aus dieser sozialen Situation des Stadtteils heraus und insbesondere durch den diakonischen Anspruch der Kirchengemeinde begründet sich die Ausrichtung unserer Arbeit.
2. Zielgruppen und Zielsetzungen
Die Hauptzielgruppe unserer Einrichtung sind sog. ‚benachteiligte und gefährdete‘ Jugendliche und Jungerwachsene verschiedener Nationalitäten im Alter von 12 bis ca. 25 Jahren.
Unsere Arbeit setzt im offenen Freizeitbereich an. Wir bieten einen täglichen offenen Treffpunkt mit Interessenangeboten und Freizeitaktionen, organisieren mit den Jugendlichen zusammen Turniere usw. So wollen wir positive Erfahrungen ermöglichen, bei denen die Stärken der Jugendlichen zur Geltung kommen und gegenseitiges Vertrauen entsteht.
Im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen die Jugendlichen mit ihren Lebenswelten, in denen sie sich befinden. Die Jugendlichen mit ihren speziellen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Problemen sind ausschlaggebend für die Durchführung unserer Arbeit, um deren individuelle Lebenssituation zu verbessern. Dabei sind folgende Ziele besonders wichtig:
- Ermöglichung eines reflektierten Umgangs mit geschlechtsspezifischem Rollenverhalten,
- Förderung des Kennenlernens und Akzeptierens verschiedener Kulturen und Nationalitäten
- Integration von Jugendlichen mit Behinderungen
- Förderung von Eigenverantwortlichkeit
- Sucht- und Gewaltprävention durch Auseinandersetzung mit kriminellen Verhaltensweisen und verschiedener Suchtproblematiken
- Hilfe zur Selbsthilfe durch Aufzeigen von weiterführenden Angeboten und Hilfsmöglichkeiten
- Schon- und Schutzraum bieten
- Im Beratungsbereich akute Kriseninterventionen, sowie Stabilisierung und Verbesserung der Lebenssituation der Jugendlichen in Familie, Schule und Beruf.
3. Angebotsstruktur
3.1. Offene Arbeit
Für unsere offene Arbeit stehen ein 160 qm großer Raum sowie eine Teestube zur Verfügung. Hier können die Jugendlichen sich treffen, Tischfußball, Billard und Tischtennis spielen, Musik hören usw. Es besteht die Möglichkeit für Gespräche, Kontaktaufnahme, Essen, Entspannung, Eigeninitiative und vieles mehr.
Unsere offene Arbeit dient einerseits als Schon- und Schutzraum für die Jugendlichen, der ihnen Sicherheit bietet und eine Art von Zuhause darstellt, wo sich die Besucherinnen und Besucher wohl fühlen können. Andererseits haben sie hier die Möglichkeit, sich sowohl mit uns und anderen als auch in der Gruppe auseinanderzusetzen (Konfliktraum).
3.2. Besucherspezifische Arbeit
Zu dieser Arbeit gehören die Bereiche Mädchen- und Jungenarbeit, die Arbeit mit jüngeren Jugendlichen und die Jungerwachsenenarbeit.
3.2.1. Mädchenarbeit
Nach wie vor ist Jugendarbeit vornehmlich Jungenarbeit. Sofern sich Mädchen in unserer Einrichtung aufhalten, achten wir besonders auf diese, damit sie ihre Interessen verwirklichen können und nicht von Jungen verdrängt werden.
3.2.2. Jungerwachsenenarbeit
Einmal wöchentlich am Mittwochabend ist die Einrichtung nur für Jungerwachsene geöffnet.
Hier wird den Älteren die Möglichkeit gegeben, sich unter sich zu treffen, so dass es für sie mehr Raum für Gespräche und ihre eigenen Interessen gibt. Außerdem besteht für
Ehemalige die Möglichkeit, die Einrichtung einmal wieder aufzusuchen, ob mit einem bestimmten Anliegen oder nicht.
3.2.3. Nachwuchsarbeit
Freitags öffnen wir die Einrichtung nur für Jüngere zwischen 12 und 15 Jahren. Sie können sich in Ruhe ausprobieren und ihren eigenen Platz im Jugendzentrum erobern. Diese jüngeren Jugendlichen werden von uns besonders betreut. Wir veranstalten kleine Turniere, kochen mit Ihnen usw., damit die Besucher früh in unsere Arbeit hineinwachsen.
3.2.4. Arbeit mit Flüchtlingen
Unsere Angebote richten sich grundsätzlich auch an alle jungen Geflüchteten. Wir haben keine gesonderten Angebote, sondern unser Ziel ist es, Flüchtlinge in die bestehende Arbeit und damit auch in den Stadtteil zu integrieren.
Die pädagogische Herausforderung besteht darin, zum einen sich aufgrund der Sprachbarrieren besonders um die Flüchtlinge zu kümmern, andererseits auch die Jugendlichen, die schon lange die Einrichtung besuchen, nicht zu vernachlässigen. So sollen bestehende Vorurteile behutsam abgebaut werden.
3.3. Themenspezifische Arbeit
3.3.1. Sport und Fitness
Um Selbstbewusstsein zu stärken und insbesondere Gewaltbereitschaft abzubauen, bieten wir Jugendlichen ab 16 Jahren die Möglichkeit, im Fitnessraum zu trainieren. Außerdem hängt dort ein Boxsack, der genutzt werden kann.
Seit längerem befindet sich im Grünen Zentrum ein Kunstrasenplatz und ein Erzieher, der sowohl dort als auch in der Sporthalle für Jugendliche ein offenes Fußballtraining anbietet. In Kooperation organisieren wir jährlich Soccer Turniere. Dabei legen wir besonderen Wert darauf, dass alle Jugendlichen, die mitmachen möchten, dieses auch können, so dass eine alters- und nationalitätsübergreifende Veranstaltung entsteht.
Weiterhin findet am letzten Freitag im Monat (8 – 9 x im Jahr) ab 22 Uhr Mitternachtssport für alle ab 16 Jahren statt. Dies ist eine Stadtteilveranstaltung, die zu mehr Miteinander im Stadtteil führt und darüber hinaus unter dem Motto „Sport statt Drogen“ steht.
In Kooperation mit der Hip Hop Academy Hamburg bieten wir dienstags und donnerstags ein Hip Hop Tanz-Angebot für Mädchen und Jungen an.
3.4. Gruppenarbeit / Interessengruppenarbeit
Unsere Interessengruppenarbeit richtet sich nach den Bedürfnissen der Jugendlichen. Diese Form der Gruppenarbeit verlangt ein hohes Maß an Flexibilität. So gibt es häufig kurzfristige
Gruppenarbeitsprojekte, wie z. B Graffiti, Malarbeiten, aber auch längerfristige wie Kickern, Kochen etc., bei denen die eigenen Interessen und Fähigkeiten in den Mittelpunkt sozialen Handelns gestellt werden.
3.5. Veranstaltungen und erlebnispädagogische Arbeit
Über unsere täglichen Öffnungszeiten hinaus sieht unser Konzept auch Sonderveranstaltungen vor. Hierzu gehören Turniere und andere Feste (Sommerfest, Gemeindefest, Grillfest, Schulabschluss…).
Insbesondere in den Ferien ermöglichen wir den Jugendlichen Aktivitäten außerhalb der Einrichtung, wie z. B. Heidepark, Paintball, schwimmen.
Darüber hinaus planen wir jährlich eine Freizeitfahrt, um Jugendlichen, die nicht mit ihren Eltern in die Ferien fahren können, auch die Möglichkeit zu geben, mal aus dem Stadtteil herauszukommen und etwas anderes kennenzulernen. Außerdem besteht hier die Chance, Beziehungen zu aktivieren und zu anderen Jugendlichen Kontakt aufzunehmen.
Aus pädagogischer Sicht ist der erlebnispädagogische Ansatz wesentlich, den wir durch Camping und den dort stattfindenden Aktivitäten erreichen wollen.
4. Kooperation mit Schule
4.1. Ganztag
Seit August 2013 bieten wir Schülerinnen und Schüler der 5., 6. und 7. Klassen der Stadtteilschule Lohbrügge mittwochs von 13.30 bis 16 Uhr ein Nachmittagsangebot unter dem Titel „Rund um den kleinen Ball“ an. Dies bedeutet, dass die Schülerinnen und Schüler in unserem Saal Action erwartet, sie können Tricks und Kniffs beim Kickern, Tischtennis und Billard spielen lernen. Die, die lieber entspannen möchten, können dies in der Teestube tun, wo auch Raum für Gespräche gegeben ist. Ziel ist es, soziales Lernen zu trainieren. Außerdem bereiten wir gemeinsam mit Schülern am Anfang des Kurses einen kleinen Snack für alle vor.
Seit September 2014 gibt es montags einen zusätzlichen Kurs mit dem Titel „KAP-Club“ nur für Siebtklässler. Hier geht es um Partizipation. Wir versuchen, die Schülerinnen und Schüler zu ermutigen, sich darüber Gedanken zu machen, was wir im Kurs gemeinsam im Rahmen des KAPs tun können.
Wünschenswert für die Entwicklung Schule – Jugendhilfe wäre ein Zusammenwirken beider Systeme, die unter Beibehaltung ihrer eigenen Profile ihre Stärken einbringen.
4.2. Schülerhilfe und Job-Aktiv
Einen fest installierten Termin für Schularbeitenhilfe gibt es im KAP nicht mehr.
Sollten Besucherinnen und Besucher Probleme bei den Schularbeiten haben oder für eine Prüfung oder Hausarbeit lernen müssen, so sind wir jederzeit bereit, ihnen zu helfen. Dies geschieht spontan aus dem offenen Betrieb heraus. Hierzu gibt es die Möglichkeit, sich in unseren Beratungsraum zurückzuziehen.
Darüber hinaus bieten wir für Jugendliche und Jungerwachsene einmal wöchentlich eine Beratung bei der Ausbildungsplatzsuche an. Die Jugendlichen erhalten Unterstützung und Orientierungshilfen bei Bewerbungsschreiben, Praktikums-, Arbeits- und Ausbildungsplatzsuche sowie bei der Berufswahl. Dabei ist auch eine Stärkung der Motivation und des Selbstbewusstseins von großer Bedeutung. Dieses Angebot findet in Kooperation mit dem Internationalen Bund statt.
5. Beratung
5.1. Krisenintervention
Krisenintervention bedeutet, dass wir in Notsituationen sofort und unmittelbar unabhängig von bestimmten Beratungszeiten reagieren und beraten.
Wir haben es hier mit den vielfältigsten Problemen zu tun. So kommen z. B. Jugendliche zu uns, die Stress zu Hause oder in der Schule haben, die in Drogenproblematik oder Kleinkriminalität verwickelt sind etc.
Viele der Jugendlichen und Jungerwachsenen, die zu uns kommen, kennen wir, so dass wenig ‚Schwellenängste‘ bestehen. Es gibt aber auch einige, die einfach nur von anderen von unserer Einrichtung gehört haben und uns aufsuchen.
5.2. Langfristige Beratung und Begleitung
Ein weiterer Bereich ist die langfristige Beratung und Begleitung. Gerade in einem sozialen Umfeld wie Lohbrügge-Nord ist es für Jugendliche und Jungerwachsene nicht üblich, sich bei Problemen an entsprechende Stellen, wie Amt für soziale Dienste, Drogenberatung usw. zu wenden. Die Barrieren sind zu hoch.
Seit 2015 steht ein Mitarbeiter von Kodrops im KAP einmal wöchentlich für Fragen und Beratung zum Thema Drogen den Jugendlichen zur Verfügung, so dass hier die Schwellenängste durch die aufsuchende Arbeit abgebaut werden.
Durch unsere kontinuierliche Arbeit über Monate und Jahre bauen wir eine Vertrauensbasis auf. Diese kann dazu führen, dass es Stück für Stück in kleinen Schritten möglich ist, zu z. B. Jugendlichen mit Drogen- oder Alkoholproblemen tragfähige Beziehungen aufzubauen, mit ihnen über Probleme zu reden und zu reflektieren und sie zu ermutigen, sich Hilfe zu holen.
Diese sehr langwierigen Prozesse der Auseinandersetzung mit Problemen erfordern von uns über Professionalität hinaus sehr viel Geduld und Einfühlungsvermögen in die Jugendlichen.
5.3. Familienberatung im Sozialraum
Im Rahmen des SAE Projektes StabiLoh bieten wir gemeinsam mit dem Verein Hamburger Kinder- und Jugendhilfe, Leben mit Behinderung Hamburg und der Kita Wackelzahn montags, mittwochs und donnerstags Familienberatung.
Wie kann sich die Familie verändern, damit das Zusammenleben besser wird? Was kann getan werden, damit es weniger Streit gibt? Wie kann man Eltern sagen, dass es sich um ein echtes Problem handelt? Wir helfen, gemeinsam Antworten auf diese oder ähnliche Fragen zu finden. Wir unterstützen Familien in allen Belangen, die den Kontakt zwischen Eltern und Kindern betreffen.
Ziel ist es, im Sozialraum mit anderen Einrichtungen zusammenzuarbeiten, um zu gucken, wo und wie geholfen werden kann.
Hamburg, Januar 2023
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